Tango Kolumne
Berlin ohne Tango?!
EINBLICKE IN DIE TANGOSZENE: Teil 43 DER REIHE VON LEA MARTIN
Was wäre Berlin ohne Tango?! Eine Großstadt, funktional wie ein Computerprogramm. Dass sich rund 50 Tanzschulen und Veranstaltungsorte in täglich immer noch reizvolleren Tango-Workshops, Kursen und Shows überbieten, verhilft Berlin zu seinem Flair. Ein besonders reizvoller Ort ist das im 2. Hinterhof der Weddinger Gerichtstraße gelegene Tangoloft, das sich (wenn man den Hausflur hinter sich gebracht hat) wie ein märchenhaftes Wunderland öffnet.
Zauberhafte Tango-Events werden hier angeboten, von Valentins-Specials über Halloween-Parties bis zu Silent Milongas, wo sich zu Pianomusik von Chopin anspruchsvolle Tangopaare im Kreis drehen. Für Studenten arrangiert das Nou Tango in Mitte spezielle Milongas. Einsteiger/innen sind im Kreuzberger Art 13 gut aufgehoben, wo in ungezwungenem Ambiente mit Schweizer Qualitätsanspruch unterrichtet wird. Das Tango Panorámico lockt im 13. Stock am Strausberger Platz mit weitem Blick über Berlin. Und alle, die schon länger dabei sind, verehren den Tango-DJ Michael Rühl als Garant für gehobenes Milonga-Niveau. Wem das nicht reicht, dem bietet die Kreuzberger Tanzschule mit dem verheißungsvollen Namen Tangotanzen macht schön ihre beliebten Freitag-Milongas mit Show-Einlagen aus Buenos Aires.
Die Tango-Vielfalt zieht viele Fans zum jährlichen Embrace-Festival in die zweitgrößte Tangometropole der Welt und übt eine magnetische Anziehung aus. So berichtet etwa Pianist Jena: "Das Tangoloft hat vor fünf Jahren den Aus- schlag gegeben, dass ich von Hamburg nach Berlin zog." Mit dreitausend Likes bei Facebook rückt Monas Tangoparadies in der Gunst des Publikums sehr nah an die beliebte Schöneberger Tanzschule Mala Junta. An beiden Orten kann man sonntagnachmittags Tango bei Kuchen und Kaffee genießen, zu Low-Budget-Preisen, wie sie in der Tangoszene üblich sind. Ob im Einkaufszentrum Mall am Leipziger Platz, in der Vorhalle des Hauptbahnhofs oder im Monbijoupark an Ufer der Spree: Die Berliner Tangoszene treibt unablässig neue Blüten und bietet den Menschen in der Stadt des Um- und Aufbruchs ein Parkett, das alle Ängste, Sorgen und Unsicherheiten vergessen lässt in einem Dialog, der keiner Worte bedarf und Hoffnung auf Verständigung macht, über nationale und andere Grenzen hinaus. Mit diesem Impuls trägt die Tangoszene, ganz nebenbei, erheblich zur Liebenswürdigkeit Berlins bei, dieser Stadt, die den Tango anzieht, weil sie wie Tango ist: widersprüchlich, eigensinnig, leidenschaftlich.
"Berlin ohne Tango?!" aus „Tango Dreams“
Alle Rechte (Text) bei Lea Martin, Berlin 2017
Foto: tangokultur.info