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Tango Kolumne
Tango-Meister

 

EINBLICKE IN DIE TANGOSZENE: Teil 40 DER REIHE VON LEA MARTIN

Tangokolumne: Tango-Meister

Die ersten Milongas habe ich sitzend verbracht. Nicht weil es keine Tanzpartner gab, sondern weil ich mich nicht traute. Deeply impressed verfolgte ich die Paare, die über das Parkett schwebten, und dachte, so gut zu tanzen lerne ich nie. Inzwischen bin ich etwas zuversichtlicher. Und habe zu unterscheiden gelernt. Zwischen Tangueros auf Augenhöhe, sympathisch, mit wackeligen Knien. Und den anderen, den Tango-Meistern. Sie tanzen göttlich und wissen das auch. Es gibt nichts Schöneres als in ihren Armen zu schweben. Und nichts Demütigenderes als das Gefühl, ihnen nicht zu genügen. Wenn sie höflich sind, begleiten sie dich nach einer Tanda (=Tanzsequenz, die aus drei bis vier Tangos besteht) an deinen Platz. Oder sie fühlen sich berufen, ihre Meisterschaft mit dir zu teilen: Mach das doch einfach mal so. Nur so als Tipp. In der Regel bedanke ich mich freundlich. Und fühle mich schlecht. Ihre Tipps sind der Not geschuldet sind, mit meinen Unfähigkeiten klarzukommen. Meine Beine sind nicht so locker, wie sie sein sollten. Meine Balance ist noch immer ausbaufähig. Meine Volcadas bleiben eine Katastrophe. Je besser der Tanguero, desto größer die Qual, wenn der Körper nicht macht, was sich im Kopf ganz einfach anfühlt.

„Du siehst ganz schön angespannt aus“, stellt eine Freundin fest, die uns beobachtet hat. „Oh weh“, sage ich zerknirscht, doch überraschenderweise meint sie den Tanguero, den ich gerade noch für einen Tango-Meister hielt. „Aber nein“, wehrt dieser ab, „ich bin total entspannt.“ Bislang spürte ich in seiner Umarmung jedes Detail, das mir fehlt. Plötzlich werde ich unsicher, woran das liegt. Er ist besessen vom Tango, immer unterwegs. Kein Tango- Festival, kein Tango-Marathon, an dem er nicht teilnimmt. Und ich?! In meiner Fantasie bin ich eine ebenbürtige Tanzpartnerin, bleibe aufrecht, entspannt, halte mich nicht fest, sondern gebe, wonach der andere sich sehnt. Gebe ihm Tango. Ihm. Dem Tanzpartner meiner Träume. Er würde mich nicht ständig kritisieren. Die Tango-Meister tanzen seit zwanzig Jahren. Wenn sie mit geübten Tanzpartnerinnen tanzen, ist das ein toller Anblick, der mich mit Neid erfüllt. Und meinen Blick schärft. Der eine schaut immer zu Boden, der andere stresst seine Partnerin. Wie würde ich tanzen, wenn ich es könnte?! Ich würde, vielleicht, eine Prise mehr Pfeffer in den Tango legen, mehr Temperament. Ich würde meine Schritte genießen und mit meinem Tanz provozieren, bis der andere nicht mehr weiß, ob seine Leidenschaft dem Tango gehört... oder mir.

 

 

"Tango-Meister" aus „Tango Dreams“

 

Alle Rechte (Text) bei Lea Martin, Berlin 2017
Foto: tangokultur.info

 

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