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Tango Kolumne
Tango-Knigge

 

EINBLICKE IN DIE TANGOSZENE: Teil 66 DER REIHE VON LEA MARTIN

Kolumne Tango Knigge von Lea Martin

Braucht man einen Tango-Knigge? Im Netz finde ich gleich zwei davon: einen „kleinen Tango-Knigge“, der sich mit der (äußeren) Vorbereitung auf eine Milonga befasst (und also empfiehlt, vorher zu duschen, die Zähne zu putzen, nicht zu viel Parfum aufzutragen und ein Ersatzhemd einzupacken). Und einen „großen Tango-Knigge“, der sich mit dem Inneren des Tango befasst.

 

Monolog oder Dialog, das ist die Frage, um die es in diesem Knigge geht, und die Antwort ist klar: Die Folgenden sollen mitbestimmen (dürfen). Wichtig, lese ich, sei das vorbehaltlose Einlassen auf dem Parkett: „Tanzt man allerdings für sich selbst, für ein mögliches Publikum oder sind beide Beteiligten nicht ganz im Hier und Jetzt, dann fangen die Schwierigkeiten an.“ Klingt sympathisch, doch ist es nicht auch ein bisschen schwarz-weiß? Sollen wir uns schämen, unsere Bewegungen zu genießen? Und dürfen nie (gelegentlich) hoffen, jemand schaue voller Bewunderung zu? Ich fühle mich wie eine Sünderin. Denn die meisten der vom Knigge aufgezählten Fehler sind mir vertraut, vor allem der (rechtfertigende) Hinweis, noch Anfängerin zu sein: obwohl das „den Zauber einer Tanda zerstört“. Oder die Entschuldigung, wenn mein Fuß stolpert: obwohl Folgende per se unschuldig sind. Vor folgendem Fehler sind Folgende gefeit: „Es gibt eine simple Wahrheit, die sich zu vielen unserer Tango-Freunde entzieht. Tango ist kein Rennen: Es gibt keine Ziellinie. Es gibt daher auch keinen Grund zu überholen.“ Dafür kann ich als Folgende Cabeceo-Diebstahl begehen, indem ich mich in die Blickachse eines Auffordernden dränge und so einen Tanz „klaue“, der einer anderen gehört.

 

Es ist irgendwie rührend, wie mit strengen Benimm-Regeln versucht wird, Kollisionen und andere Unannehmlichkeiten auf dem Parkett zu vermeiden. Schlechter Atem, Parfumwolken, Unhöflichkeit. Die Tango-Ratgeber im Netz legen nahe, sich an den in Buenos Aires üblichen Regeln zu orientieren, zum Beispiel bei Tanzen auf engem Raum (ohne Boleos). Die Gretchen-Frage ist: Wie fordere ich (erfolgreich) auf? Das Augenzwinkern (Cabaceo) gilt zwar als Ziel, doch hat es so seine Tücken, vor allem für Kurzsichtige. Verderben zu viele Regeln den Tango-Spaß? Ich lese gern, was andere über Tango denken. Muss mich ja nicht daran orientieren. Die für mich wichtigste Regel habe ich ohnehin selbst herausgefunden: Wir sind keine Mauerblümchen, nur weil wir mal zuschauen. Als Tanguera bestimme ich selbst, mit wem ich tanze. Wenn ich einen Tanz nicht will, aus welchen Gründen auch immer, bin ich so frei, Blickkontakt zu vermeiden. Wenn der Herr dann trotzdem vor mir steht, muss er einen Korb akzeptieren. Männer mit dieser Haltung werden Genießer genannt. Genießen, was das Leben bietet, können auch Frauen. 

 

 

"Tango-Knigge" aus „Tango Dreams“

 

Alle Rechte (Text) bei Lea Martin, Berlin 2018
Foto: tango-argentino-online.com

 

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