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Tango Kolumne
Tango, made in Germany

 

EINBLICKE IN DIE TANGOSZENE: Teil 29 DER REIHE VON LEA MARTIN

Wenn das Leben Tango mit Dir tanzt

Männer, das wissen wir, sind verunsichert. Wegen des Feminismus. Ihre Verunsicherung macht vor der Tango-Tanzfläche nicht halt. Auch hier gibt es sehr viel Verunsicherung. Männer, die nicht wissen, wohin sie wollen. Männer, die fragen: „Was willst du eigentlich von mir...?!“

Zu den Männern, die nicht wissen, wohin sie wollen, gesellen sich Frauen, die das sehr genau wissen. Sie stehen mit beiden Beinen im Leben, treffen klare Entscheidungen, wollen mitreden und mitbestimmen. Der Tango made in Germany ist ein Verwirrspiel mit unklaren Rollen. Die Füße der Folgenden eilen voraus, während die Führenden versuchen, es ihnen recht zu machen. Dabei ist die Kunst zu führen ohnehin eine hochkomplexe Angelegenheit, bei der vieles gleichzeitig beachtet werden will: die Musik und ihr Rhythmus, das Umfeld, wo niemand angerempelt werden darf, der Partner (was kann er, wo steht er, was mag er), die Bewegung (wo sind wir, wohin will ich, wie kommuniziere ich das). Ich bewundere Menschen, die sich zutrauen zu führen. Für mich ist folgen zu lernen eine hinreichende Herausforderung.

Die Unsicherheit des Führenden überträgt sich fast zwangsläufig auf die/den Folgenden, das ist eine Folge der körperlichen Konzentration aufeinander. Als Folgende bewege ich mich möglichst synchron mit dem Körper des anderen und spüre sein Ein- und Ausatmen, seine An- und Entspannung, seine innere Dynamik inkl. also auch seiner Unsicherheit. Diese Unsicherheit kann enttäuschen. Wer will schon einen Tanzpartner, der selbstkritisch beim ersten Treffen seine Führungs-Defizite gesteht..?! Da suchen wir uns lieber einen zierlichen Tanguero aus Spanien oder Paris, der kein Wort Deutsch oder Englisch können muss, um uns eine Milonga lang glücklich zu machen. Wenn er uns mitnimmt auf eine temperamentvolle Reise voller überraschender Drehungen und Tempiwechsel, ist es nicht der Machismo, der fasziniert, sondern der selbstbewusste Spaß an einer gemeinsamen Bewegung, in der die Rollen klar verteilt sind. Als Führende/r eine eindeutige Richtung vorzugeben bedeutet Verantwortung zu übernehmen: für die eigenen Schritte, aber auch dafür, dass die Folgende sich wohl fühlt. Die Frauen, denen ich bislang gefolgt bin, führten übrigens wunderbar weich... und sehr klar. Und die unsicheren Männer..?! Wollen vielleicht lieber folgen und trauen sich nur nicht.

 

 

"Tango, made in Germany" aus „Tango Dreams“

 

Alle Rechte (Text) bei Lea Martin, Berlin 2017
Foto: tangokultur.info

 

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