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Tango Kolumne
Tango steht für Verführung

 

EINBLICKE IN DIE TANGOSZENE: Teil 16 DER REIHE VON LEA MARTIN

Im Tango, wie ich ihn erlebe, sind Frauen gleichberechtigt. Sie unterstreichen ihre Schönheit, spielen mit ihrer Wirkung und genießen, Männer um die Beine zu wickeln. In dem Büchlein Tango fatal rührt mich besonders die Heldin, die verzweifelt versucht, Tango als Aphrodisiakum einzusetzen, um ihre Beziehung wiederzubeleben. In Netzstrümpfen, die sich für sie wie eine Verkleidung anfühlen, bleibt sie am Rand der Tanzfläche stehen, lässt sich die Tangoregeln erklären und beboachtet spöttisch ein Paar, „bei dem der Mann tanzte, als steure er einen Lkw ohne Servolenkung durch eine Reihe von Haarnadelkurven“. Eben- falls vom Rand der Tanzfläche aus unterliegt indessen ihr Mann dem Reiz einer vorbeitanzenden Fremden: „Ihr Knöchel peitschte einen doppelten Voleo durch die Luft. Über die Schulter ihres Partners hinweg sah er nur ihr linkes Auge. Es war ein großes grünes Auge, ein Smaragd, der in den Spotlights über der Tanzfläche funkelte.“ Kurz darauf landen die beiden im Bett.

Die Magie des Tango, so die Botschaft der Geschichte, liegt im Auge, im Blick, im Einlassen auf den Augenblick. Es gibt Paare, die können alle Figuren perfekt, und ihr Tanz sieht gleichwohl steril aus. Und dann gibt es Paare, die einfach nur gehen und jeder Schritt wirkt erotisch. Wer ironisch-sarkastisch auf Schweißtropfen schaut, auf Ungeschicklichkeiten und Fehler, verpasst das Geheimnis des Tango. Tango ist kein Männer- oder Frauen-, sondern ein Paartanz, in dem jede Bewegung nur Sinn macht in Bezug auf den, der sie auslöst, erwidert, sich in sie begibt.

 

Die Geschichten in Tango fatal sind kleine Ausschnitte aus Romanen, deren Handlung sich nur teilweise erschließt. Das passt zum Wesen des Tango, in dem jeden einzelne Tanz wie der Auftakt zu etwas Größerem erscheint, eine Ouvertüre, die sich viel zu rasch erschöpft. „Jeder Tango ist eine Drei-Minuten-Oper mit allem, was dazu gehört: Liebe, Tod, Verrat, theatralisches Sterben...“. Dass Tango süchtig macht, hat mit dieser Dramatik zu tun, dem Aufblühen von Etwas, das sich nahezu vollkommen anfühlt.. und dann doch nicht erfüllt.

Der Tango mag aus einer Welt des Machismo stammen. Das, was er ist, auf den Milongas in Berlin, und wohin er will, ist sicher keine Welt, in der Frauen genommen werden (ob sie wollen oder nicht), sondern eine Welt, in der Führende und Folgende einander gleichberechtigt ergänzen. Tango in Berlin steht für Spaß an Verführung, selbstbewusste Erotik und Hingabe an einen Tanz, der Trauer und Melancholie kennt, aber auch Tempo, Witz und Selbstironie. 

 

 

"Tango steht für Verführung" aus „Tango Dreams“

 

Alle Rechte (Text) bei Lea Martin, Berlin 2016
Foto: tangokultur.info

 

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