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Tango Kolumne
Wie benutze ich einen Mann?

 

EINBLICKE IN DIE TANGOSZENE: Teil 50 DER REIHE VON LEA MARTIN

Tangokolumne: Wie benutze ich einen Mann?

Wie man einen Tampon benutzt, weiß ich. Aber einen Mann? Benutzen klingt nach schmutzigem Sex. Und dann ist es soweit. Tangostunde, Prenzlauer Berg. Und die klare Aufforderung: "Ihr müsst euren Tanzpartner benutzen." Die Männer strahlen. Die Frauen blinzeln verlegen. "Stellt euch vor ihn, fasst ihn bei den Schultern und holt euch die Energie, die ihr braucht, um euch zu drehen. Stoßt euch ab, zieht, wie ihr es braucht. Traut euch, euren Tanzpartner zu benutzen." Da stehe ich nun. Und weiß nicht weiter.

 

Also versuche ich es mit einem Fake. Ich berühre Milan an der Schulter, mache eine Drehung, will um ihn herum, da stoppt mich der Tanzlehrer: "No, no, no." Er fasst in Milan hinein, als wolle er einen Pizzateig kneten, stößt sich ab, dreht. Milan ist sichtbar gefordert. Aber auf seinem Gesicht steht ein Lächeln, es scheint ihm zu gefallen. "Now you." Ich streife meine Hemmungen ab und stelle mir vor, Milan wäre eine Art Boxsack, der mir dazu dient, bessere Ochos hinzubekommen. Das Bild hilft. Milan schenkt sein Lächeln nun mir, die ich eine neue Energie spüre. Ich fühle mich sehr lebendig, wie ich so um ihn herumtanze, nicht ganz aus eigener Kraft, sondern unterstützt von der Festigkeit, mit der er meine Bewegungen aushält. Wie schüchtern habe ich bisher getanzt, wie gebremst. Und wie werde ich noch tanzen können. Jetzt lächelt nicht nur Milan, sondern auch ich bin begeistert. Ein Tampon ist nichts gegen den Spaß einen Mann zu "benutzen", mit beiden Händen und ganz ohne Hintergedanken, öffentlich, beim Tango, auf dem Parkett.

 

Die Idee, als Folgende eine reservierte Rolle zu haben, kann ich verabschieden. Zu folgen heißt nicht, weniger aktiv als der Führende zu sein. Sondern es heißt, in Kontakt mit ihm eine Spannung aufzuauen, die jede Bewegung beflügelt. Der angebliche Machismo, der den Tango Argentino ausmacht, wird ergänzt durch das selbstbewusste Auftreten einer Frau, die ihre eigene Energie kennt und verströmt. Eine Tanguera kann warten, bis sie einen Ocho, Gancho oder Boleo tanzen darf, doch wenn er da ist, kostet sie ihn aus, sie dreht ihren Körper, wirft ihre Beine und genießt, was der Tango bietet: an Spaß, Bewegung, Leidenschaft, Kontakt. Derart präsent zu sein ist eine Herausforderung, zumal für alle, die gewohnt sind, ihren Körper eher zurückzuhalten. Meiner freut sich über die Chance, eine ungewohnt kühne Rolle zu spielen. 

 

 

"Wie benutze ich einen Mann?" aus „Tango Dreams“

 

Alle Rechte (Text) bei Lea Martin, Berlin 2018
Foto: tangokultur.info

 

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