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Tango im Schatten des Krieges

Am 24. Februar 2022 hat Putins russische Armee den souveränen Staat Ukraine überfallen und in einen verbrecherischen Krieg gestürzt. Was lange undenkbar war, ist nun Realität: Krieg in Europa. Krieg vor unserer Haustür (die Stadt Lwiw in der Ukraine liegt näher an Berlin, als Paris!). Der russische Diktator mordet und lügt sich durch die Weltgeschichte. Vermeintlich liebgewonnene Gewissheiten gibt es nicht mehr. Die Zukunft wird voraussichtlich anders aussehen, als viele bislang gedacht haben.



Solidarität mit der Ukraine: Friedensdemo in Berlin am 27. Februar 2022
Friedensdemo in Berlin am 27. Februar 2022

Es ist schwer, Ablenkung beim Tango zu finden. Ablenkung in dieser Musik, diesem Tanz, der doch als universelle Sprache gilt und Menschen auf aller Welt zusammenführt. Unabhängig von Nationalitäten, Religionen und Ideologien. Im Schatten des Krieges fällt es vielen sehr schwer, beim sozialen Miteinander des Tangos die Realität außerhalb der Tangoblase auszublenden. Wir denken an Freunde und Bekannte in der Ukraine. Wir denken daran, dass auch dort Tangokonzerte und Milongas stattgefunden haben. Bis zum 24. Februar. Seitdem tanzt bei uns der fade Beigeschmack des Krieges beim Besuch einer Milonga oder eines Tangokurses mit. Viele Gespräche drehen sich um das Thema Ukraine: Wie kann den Menschen geholfen werden? Was kann man selbst tun? Wie ist dieser Wahnsinn zu stoppen? Was werden die nächsten Ziele des Diktators Putin sein? Was hat der Westen, die Europäische Union, die Nato dem entgegenzusetzen? Wo liegt der Schlüssel des klugen, diplomatischen Handelns, das zu einer friedlichen Lösung des Konflikts führen kann?

Politik trifft auf Tango

In der Vergangenheit haben viele in der Tangoszene aufgestöhnt, wenn es beim Tango um Politik ging. Verständlich, weil wir unsere Ruhe haben wollen bei unserer Freizeitbeschäftigung „Tango“ und einfach nur entspannen möchten. Doch Politik spielt in allen Lebensbereichen eine Rolle. Ob wir wollen oder nicht. Nicht erst seit Corona treffen beim Tango unterschiedliche (politische) Denkweisen aufeinander (Anm. d. R.: Wir haben darüber bei uns im Tangoblog berichtet).

Spätestens jetzt, durch Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, dominiert die Politik plötzlich unser aller Leben. Und wir leben zum Glück in einem Land, in dem wir sachlich unsere Meinungen dazu austauschen können, denn Meinungs- und Pressefreiheit sind bei uns ein hohes Gut. Über seriöse Medien, die in aller Regel ausgewogen berichten (dazu gehören u.a. die öffentliche-rechtlichen Fernsehsender wie ARD und ZDF), können wir uns eine differenzierte, faktenbasierte Meinung bilden. Mehr als bedenklich ist, dass es Menschen gibt, die diesen Medien keinen Glauben schenken, die vehement ihr persönliches (oft esoterisch angehauchtes) Weltbild bestätigt sehen möchten - und die ihre „alternativen“ Wahrheiten über dubiose Medien, die oft im rechten Spektrum verortet werden können, beziehen. Und nicht nur das: Sie verbreiten diese Unwahrheiten und kruden Verschwörungstheorien über ihre Kanäle. Sei es zum Thema Corona - oder jetzt zum Krieg in der Ukraine. Auch in Teilen der Tangoszene ist das zu beobachten. Und da wir in einem freien Land leben, können sie das tun. Es ist offenbar so, dass der Gesetzgeber einen eigenen Tatbestand für das Verbreiten von Fake-News nicht oder nur ungenügend vorsieht. Die Verschwörungstheoretiker dürfen ihre "Meinung" frei äußern, ohne eine Bestrafung fürchten zu müssen. Sie können Verständnis zeigen für Putin und seine Lügen als Wahrheiten verkaufen. Und sie können die Schuld uneingeschränkt dem „Westen“, der USA und der Nato zuschieben. Doch das ist zu plump und zu einfach gedacht!


Immer bei der Wahrheit bleiben!

Natürlich ist es wahr, dass die USA viele Kriege angezettelt haben und dass die westlichen Industriestaaten bei Themen wie Menschenrechte (Beispiel die Zerschlagung der Demokratiebewegung in Hong Kong), Pressefreiheit (Beispiel Julian Assange), Waffenlieferungen, Handel etc. oft genug mit zweierlei Maß gemessen und eigene, primär wirtschaftliche Interessen über alles gestellt haben. Da muss man sich für vieles schämen! Und auch die Arroganz gegenüber Russland in den 1990er Jahren war alles andere als angebracht. Doch Putin ist nicht das Opfer! Er ist der Aggressor. Er will eine neue Weltordnung, mit der wir nicht einverstanden sein dürfen. Und dabei dürfen wir auch China nicht aus dem Blick verlieren.


Ich bin wütend! Ich bin wütend auf die bundesdeutsche Politik - aber auch auf uns, auf einen breiten Teil der Gesellschaft, die immer nur den eigenen Vorteil gesehen hat und etwas von Wohlstand faselt, während es längst nur noch darum geht, den Überfluss zu verwalten und Besitzstandswahrung zu betreiben: Was bedeutet schon ein hoher Spritpreis im Gegensatz zum unendlichen Leid der Menschen in der Ukraine und anderen Kriegsgebieten auf der Welt (z.B. im Jemen). Nicht zuletzt haben die Regierenden einen Eid geschworen. Den Eid, "Schaden vom deutschen Volk abzuwenden"! Wenn sie diesen Eid ernst genommen hätten, wären wir jetzt vielleicht nicht in dieser Situation. Seit Jahren wurde darauf hingewiesen, dass wir uns unabhängig machen müssen. Unabhängig von Energieimporten und anderen Produkten wie Masken, medizinische Produkte, Chipherstellung etc. Durch die Abhängigkeit bei den Importen von Gas, Öl und Kohle von Russland ist ein immenser Schaden entstanden. Ein Schaden, der von der Politik offenbar in Kauf genommen wurde und wird. In Sachen Ausbau der Erneuerbaren Energien könnten wir längst viel weiter sein, wenn es denn politisch gewollt gewesen wäre. Die Politik hat versagt, weil wirtschaftliche Interessen über alles andere gestanden haben und zwielichtige Lobbyisten zu viel Einfluss nehmen. Gewinner war nicht das Volk, sondern wenige Aktionäre und Großunternehmen. Die Reallöhne in Deutschland hingegen sind in Deutschland in den letzten Jahren nicht gestiegen!


Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene aktuelle Weltlage macht deutlich, was seit Jahren immer wieder angemahnt wurde: Die Europäische Union mit ihrer derzeitigen Struktur ist zu schwach gegenüber Systemen, die unsere freiheitlich demokratische Grundordnung destabilisieren oder gar zerstören wollen. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass zu oft nationale Interessen gegen die Ziele und Werte der Europäischen Union stehen. Spätestens jetzt muss allen Europäer:innen klar sein, dass wir nur eine Zukunft in Freiheit und Selbstbestimmung haben werden, wenn wir uns gemeinsam in einem vereinten Europa organisieren und uns unabhängig machen. Unabhängig von Russland - aber auch unabhängig von den USA. Unser Wirtschaftssystem muss auf das Gemeinwohl ausgerichtet sein (vielleicht in der Struktur einer Genossenschaft). Menschenrechte, Demokratie, fairer Handel und Klimaschutzmaßnahmen dürfen nicht verhandelbar sein. Auch nicht zwischen den Zeilen! Handel mit Staaten/Systemen, die sich diesen Werten nicht verpflichtet fühlen, muß ausgesetzt werden. Aktuell muss ein sofortiger Importstopp für Gas und Öl aus Russland ausgesprochen werden. Und die Institutionen der Europäischen Union müssen reformiert und demokratisiert werden. Auf in die Zukunft!


Zurück zur Ausgangsfrage: Was können wir tun? Wir können zusammenhalten, den Menschen aus der Ukraine unsere Hilfe anbieten und nebenbei weiter Tango für eine bessere Welt tanzen. Ein Beispiel dafür liefern Maria Kraft und Nazar Mikhalyk. In Warschau unterrichten die beiden Tango. Maria ist Russin. Nazar Ukrainer. Von Polen aus unterstützen die beiden ukrainische Kämpfer. Folgenden Bericht dazu gibt es beim SRF (Schweizer Radio und Fernsehen):



In eigener Sache:

In unserer Sendung TANGO ON AIR vom 06. März 2022 haben wir mit Gennadij Desatnik vom TRIO SCHO gesprochen. Die Musiker leben in Berlin - ein Teil ihrer Familien jedoch in der Ukraine. Thema war auch die Hilfsaktion in ihrer Heimat, die Gennadij gemeinsam mit seinem Bruder ins Leben gerufen hat: >> zum Interview


Wie kann man helfen?

Benötigt werden Unterkünfte, Geld- und Sachspenden. Wohin man sich wenden kann, ist unter den nachfolgenden Links zu finden:


Weitere Linktipps zum Thema:

Nato-Osterweiterung:

>> Der Mythos vom falschen Versprechen (Michael Thumann in der ZEIT vom 21.01.2022)


Ist die Halbinsel Krim russisch? Die Griechen waren zuerst da!

(Gespräch mit der Osteuropa-Historikerin Ricarda Vulpius über die Stadt Jalta auf der Krim)


"Der lange Weg zur Unabhängigkeit" >> "Anders als Putin behauptet, wollen die Ukrainer nicht zur "russischen Welt" gehören" (Artikel von Andreas Kappeler bei ZEIT-ONLINE)

Fake-News erkennen: Erst denken, dann teilen! Worauf zu achten ist, um nicht auf Desinformation hereinzufallen >> Krieg in den sozialen Medien (Beitrag bei tagesschau.de)



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